Gesehen: „Doctor Sleeps Erwachen“
Vor ein paar Jahren kam dann mit Doctor Sleep eine Fortsetzung der in The Shining begonnenen Geschichte. Über zwei Jahre habe ich gezaudert, bis ich mir das Hörbuch schließlich besorgte. Schon nach den ersten zwei Stunden war klar: Das ist etwas ganz anderes, das gefällt mir. Mittlerweile habe ich das Hörbuch mit seinen fast 19 Stunden zweimal komplett durch – und bin durchaus willens, mich noch in diesem Kalenderjahr einem dritten Durchgang hinzugeben.
Der Grund, warum mir die Fortsetzung besser gefällt als das Original, ist nicht leicht auszumachen. In einem der Specials zum Film gibt es ein Interview mit Stephen King und Mike Flanagan, dem Regisseur. Darin erwähnt King selbst, dass The Shining von einem Alkoholiker und Doctor Sleep von einem langjährigen Abstinenzler geschrieben worden sei. Vielleicht spüre ich auf einer unterbewussten Ebene die selbstzerstörerische Ader des Alkoholikers stärker im früheren Roman, wohingegen der neuere eher vom lebensbejahenden Abstinenzler geprägt ist. Egal woran es liegt, ich mag Doctor Sleep.
Und dann erfuhr ich vor anderthalb Jahren, dass es eine Verfilmung davon geben soll. Sofort war mein Interesse geweckt, denn die Geschichte lässt sich auch gut verfilmen. Das sehe ich vor allem im Gegensatz zur epischen Länge des Dunklen Turms, dessen Filmfassung bestenfalls ein ambitionierter Versuch ist, eine Kurzfassung eines kleinen Teils der Rahmenhandlung der acht Bücher unter Auslassung fast aller interessanten Charaktere abzuliefern. Das konnte nichts werden – und es wurde mit Ausnahme einiger weniger guter Szenen auch nichts.
Der Film landete mit einem im Deutschen unnötigerweise veränderten Titel (Doctor Sleeps Erwachen) im November 2019 in den Kinos, doch ich bin kein Kinogänger. Meistens ist es zu laut, zu warm oder kalt, nicht selten sind mir die Sitze zu unbequem, außerdem ist es sauteuer – kurzum, ich sehe mir Filme lieber daheim an. Wenn ich im Kino gut 10 € Eintritt bezahle, kann ich den Film ein einziges Mal ansehen. Kaufe ich ihn mir für ungefähr den gleichen Betrag, kann ich ihn so oft ansehen, wie ich will. Außerdem kann ich ihn pausieren, mich auf meinem eigenen bequemen Sofa ausstrecken, Lautstärke und Raumtemperatur kontrollieren – das ist eher mein Ding. Gestern landete der Film bei iTunes für 9,99 € im Angebot, also kaufte ich ihn und sah ihn mir heute beim Sporteln im Keller an.
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Über den Inhalt erzähle/schreibe ich jetzt gar nichts, einerseits weil der Film ohnehin gerade gut bekannt ist, andererseits weil ich nichts spoilern will, falls das hier tatsächlich von jemandem gelesen wird, der noch gar nichts darüber weiß. Aber – und darum schreibe ich diesen Blog-Eintrag hauptsächlich – der Film hat meiner Meinung nach alles richtig gemacht. Das sage ich trotz der unübersehbaren Abweichungen vom Buch, die aber einfach durch die Tatsache gerechtfertigt waren, dass es gravierende Unterschiede zwischen dem ersten Roman und seiner Kubrick-Filmfassung, an die diese Fortsetzung anknüpft, gibt. Doch der Film ist sehr nah am Buch, er ist mit exzellenten Schauspielern besetzt, denen man ihre Rollen abkauft, es gibt keine zwei Minuten, in denen es langweilig würde, die Bildqualität ist hervorragend, die Musik passt gut. Ich habe jede Sekunde des Films genossen. Schon der Beginn, wenn die alte „Dies irae“-Sequenz erklingt, die auch im Kubrick-Film in der Einleitung gespielt wurde – perfekt!
Da ich kein Freund des Ekel-Horrors mit spritzendem Blut, abgehackten Körperteilen, verrotenden Leichen und dergleichen bin, war ich so froh, dass Doctor Sleeps Erwachen trotz seiner gehörigen Länge bis auf wenige Sekunden komplett ohne derartige Schocker-Effekte auskommt. Viele Fragen, die die The Shining -Verfilmung offen gelassen hat, beantwortet Doctor Sleeps Erwachen, so kann ich dann auch mit dem älteren Film meinen Frieden schließen. Insgesamt bin ich begeistert und weiß schon, dass ich den Film demnächst noch einmal ansehen muss.