Trompetengelaber 2 – Zeitrahmen
29/05/24 19:09
Eines der Dinge, die ich im Laufe der fast vier Jahrzehnte des Trompetenspiels gelernt und – noch wichtiger – begriffen habe, ist, dass man sich verabschieden sollte von kurzfristigen Zeitvorstellungen.
Unsere Körper, und hier findet das Trompetenspiel nun einmal statt, begreifen zwar schnell, verinnerlichen aber sehr langsam.
Das merkt man immer dann, wenn man sich über zwei oder drei Wochen etwas angewöhnt oder etwas eingeübt hat, auf das man nun in einer Live-Situation zurückgreifen möchte. Klar, im Kopf ist das Wissen gespeichert, man hat kapiert, wie es funktioniert – doch die Frustration wächst in der Regel sehr schnell, wenn klar ist, dass uns die Begleitumstände der Aufregung (dazu gehören unter anderem: erhöhter Puls, gefühlt weniger Atemvolumen, zittrige Finger, eine allgemeine körperliche Unruhe und eine spürbar verminderte Konzentrationsfähigkeit) eine Umsetzung wie im heimischen Übezimmer komplett untergraben und häufig unmöglich machen.
Wie anders sieht es doch aus, wenn man sich über ein halbes Jahr, ein ganzes Jahr oder noch länger mit einer Spieltechnik beschäftigt hat. Begriffen war das vermutlich schon am ersten Tag oder in der ersten Woche, doch im Gegensatz zum vorigen Beispiel fanden jetzt nicht nur ein oder zwei Wochen voller Wiederholungen statt sondern ein (großes) Vielfaches davon. Das gab dem Körper die benötigte Zeit, den Vorgang nicht nur einige Male unter optimalen (druckfreien) Bedingungen auszuführen. Ganz im Gegenteil, jetzt liegen Erfahrungen aus erster Hand über viele Tage und Wochen vor, die jeweils mit individuellen körperlichen und mentalen Bedingungen versehen waren. Dieses Reservoir an Erfahrungen ermöglicht nun auch unter ungünstigeren Umständen – zumindest in den meisten Fällen, denn Ausnahmen gibt es immer wieder – einen erfolgreichen Rückgriff auf die antrainierten und verinnerlichten Fähigkeiten.
Im Studium stellte ich meinen Ansatz mehrfach um, da durfte ich dieses Phänomen aus erster Hand erfahren. Jahrelang hatte ich mit staubtrockenen Lippen gespielt, weil mein Mundstück dann immer wie mit Sekundenkleber fixiert an einer Position verblieb – das gab Stabilität, sorgte aber auch für einen recht inflexiblen Ansatz, denn zwischen einem Kontra-C (Pedalton) und einem viergestrichenen C gibt es nun einmal einen sehr großen Unterschied an Lippenmasse, die im Mundstück zum Schwingen gebracht werden muss. Also stellte ich meinen Ansatz so um, dass ich meine Lippen vor jedem neuen Ansetzen anfeuchtete. Das kostete mich jedoch (zumindest gefühlt) einiges an Sicherheit, da ich es ja gewöhnt war, eine einmal gefundene Ansatzposition eisern beizubehalten. Plötzlich „schwamm“ das Mundstück aber auf meinen Lippen. Das erforderte zusätzliche Kraft, um den Ansatz dann einfach stabil zu halten. Die Umstellung dauerte mindestens ein Jahr – und während der gesamten Zeit passierte es (natürlich zunehmend seltener), dass ich in Stresssituationen, also vor allem bei Live-Auftritten als Trompeter im Orchester oder als Solist, merkte, wie ich mir instinktiv die Lippe trocken wischte, um wieder meinen „stabilen“ (alten) Ansatz zu bekommen.
Mittlerweile sind mehr als 20 Jahre vergangen, mit staubtrockenen Lippen könnte ich heute ohne Umstellungszeit gar nicht mehr spielen. Damals aber, in diesem Jahr der Umstellung, merkte ich immer wieder, wie mein Körper in die alten Verhaltensmuster zurücksprang, gerade dann, wenn ich mit anderen Dingen (Nervosität, schweres Stück, komplizierte Abläufe, auf den Dirigent achten etc.) beschäftigt war. Und dennoch hat die Umstellung effektiv funktioniert. Es dauerte einfach seine Zeit – und jeder Versuch, eine Abkürzung zu nehmen, wäre an der Macht der Gewohnheit gescheitert.
Daher noch einmal mein Appell an alle Trompeter, die mit ähnlichen Umstellungs- bzw. Lernvorgängen zu tun haben: Nehmt euch die Zeit und eilt nicht einfach darüber hinweg! Pfuschen hilft nun einmal nicht, denn das ist keine Grundlage, auf der man weitere Fähigkeiten aufbauen möchte.
Unsere Körper, und hier findet das Trompetenspiel nun einmal statt, begreifen zwar schnell, verinnerlichen aber sehr langsam.
Das merkt man immer dann, wenn man sich über zwei oder drei Wochen etwas angewöhnt oder etwas eingeübt hat, auf das man nun in einer Live-Situation zurückgreifen möchte. Klar, im Kopf ist das Wissen gespeichert, man hat kapiert, wie es funktioniert – doch die Frustration wächst in der Regel sehr schnell, wenn klar ist, dass uns die Begleitumstände der Aufregung (dazu gehören unter anderem: erhöhter Puls, gefühlt weniger Atemvolumen, zittrige Finger, eine allgemeine körperliche Unruhe und eine spürbar verminderte Konzentrationsfähigkeit) eine Umsetzung wie im heimischen Übezimmer komplett untergraben und häufig unmöglich machen.
Wie anders sieht es doch aus, wenn man sich über ein halbes Jahr, ein ganzes Jahr oder noch länger mit einer Spieltechnik beschäftigt hat. Begriffen war das vermutlich schon am ersten Tag oder in der ersten Woche, doch im Gegensatz zum vorigen Beispiel fanden jetzt nicht nur ein oder zwei Wochen voller Wiederholungen statt sondern ein (großes) Vielfaches davon. Das gab dem Körper die benötigte Zeit, den Vorgang nicht nur einige Male unter optimalen (druckfreien) Bedingungen auszuführen. Ganz im Gegenteil, jetzt liegen Erfahrungen aus erster Hand über viele Tage und Wochen vor, die jeweils mit individuellen körperlichen und mentalen Bedingungen versehen waren. Dieses Reservoir an Erfahrungen ermöglicht nun auch unter ungünstigeren Umständen – zumindest in den meisten Fällen, denn Ausnahmen gibt es immer wieder – einen erfolgreichen Rückgriff auf die antrainierten und verinnerlichten Fähigkeiten.
Im Studium stellte ich meinen Ansatz mehrfach um, da durfte ich dieses Phänomen aus erster Hand erfahren. Jahrelang hatte ich mit staubtrockenen Lippen gespielt, weil mein Mundstück dann immer wie mit Sekundenkleber fixiert an einer Position verblieb – das gab Stabilität, sorgte aber auch für einen recht inflexiblen Ansatz, denn zwischen einem Kontra-C (Pedalton) und einem viergestrichenen C gibt es nun einmal einen sehr großen Unterschied an Lippenmasse, die im Mundstück zum Schwingen gebracht werden muss. Also stellte ich meinen Ansatz so um, dass ich meine Lippen vor jedem neuen Ansetzen anfeuchtete. Das kostete mich jedoch (zumindest gefühlt) einiges an Sicherheit, da ich es ja gewöhnt war, eine einmal gefundene Ansatzposition eisern beizubehalten. Plötzlich „schwamm“ das Mundstück aber auf meinen Lippen. Das erforderte zusätzliche Kraft, um den Ansatz dann einfach stabil zu halten. Die Umstellung dauerte mindestens ein Jahr – und während der gesamten Zeit passierte es (natürlich zunehmend seltener), dass ich in Stresssituationen, also vor allem bei Live-Auftritten als Trompeter im Orchester oder als Solist, merkte, wie ich mir instinktiv die Lippe trocken wischte, um wieder meinen „stabilen“ (alten) Ansatz zu bekommen.
Mittlerweile sind mehr als 20 Jahre vergangen, mit staubtrockenen Lippen könnte ich heute ohne Umstellungszeit gar nicht mehr spielen. Damals aber, in diesem Jahr der Umstellung, merkte ich immer wieder, wie mein Körper in die alten Verhaltensmuster zurücksprang, gerade dann, wenn ich mit anderen Dingen (Nervosität, schweres Stück, komplizierte Abläufe, auf den Dirigent achten etc.) beschäftigt war. Und dennoch hat die Umstellung effektiv funktioniert. Es dauerte einfach seine Zeit – und jeder Versuch, eine Abkürzung zu nehmen, wäre an der Macht der Gewohnheit gescheitert.
Daher noch einmal mein Appell an alle Trompeter, die mit ähnlichen Umstellungs- bzw. Lernvorgängen zu tun haben: Nehmt euch die Zeit und eilt nicht einfach darüber hinweg! Pfuschen hilft nun einmal nicht, denn das ist keine Grundlage, auf der man weitere Fähigkeiten aufbauen möchte.